Bildungskrise

10 Uhr morgens. Masha ist auf dem Heimweg. Heute hatte sie zwei Stunden. So wie jeden Tag. Sie ist schon 8 Jahre alt. Vor einigen Jahren wurden Kinder wie Masha eingeschult und meistens lernten sie in der Klassengemeinschaft sehr schnell Deutsch. Weil es in diesem Viertel aber zu viele Kinder wie Masha gibt und zu wenig LehrerInnen, geht sie nun in eine der Nuller-Klassen. Eine Art Vorschule, aber nur zwei Stunden am Tag. Masha spricht immer noch so gut wie kein Wort Deutsch. Ein weiteres Beispiel ist Ayla. Sie hat es sogar auf das Gymnasium geschafft. Wir sind sehr stolz auf sie, aber aufgrund des Lehrerkräftemangels fallen viele Stunden aus. Darunter leiden auch die schulischen Leistungen und Ayla macht sich ernsthaft Sorgen, ob sie so ihr Abitur schafft. Letztes Jahr haben die Schüler sogar für mehr Unterricht demonstriert. Und dann gibt es da noch Tjark. In der ersten und zweiten Klasse war Mathe sein Lieblingsfach. Zahlen liegen ihm. Doch ab der 2. Klasse beginnt das Multiplizieren. Tjark versteht, wie man es rechnet, aber er braucht viel zu lang um 7×8 auf einem Schmierzettel mit 7+7+7+7 auszurechnen. Das Einmaleins muss man einfach auswendig lernen. Heute ist Tjark in der 4. Klasse und Mathe ist sein „Hass-Fach“. Schade, denn eigentlich hätte er das Potenzial dafür gehabt.

Wir erleben engagierte Lehrerkräfte und SchulsozialarbeiterInnen, doch die Klassen sind sehr groß und immer mehr Kinder fordern einen höheren Betreuungsaufwand. Dazu kommt, dass aufgrund einer sehr starken Segregation in Schwerin manche Schulen, wie die in unserem Viertel, besonders extremen Belastungen standhalten müssen. Manchmal können Eltern das ausgleichen. Viele Kinder sind jedoch damit allein. Wir Jumpers-MitarbeiterInnen können ein bisschen helfen. Gemeinsam mit den Kindern machen wir Hausaufgaben, strukturieren Lerninhalte und nehmen uns auch gern noch ein bisschen mehr Zeit die Photosynthese zu erklären oder Vokabeln abzufragen. Masha, Ayla und Tjark kommen regelmäßig, aber eine gut aufgestellte Schule können auch wir nicht ersetzen.